Zurück zur Übersicht

Nutria

Spuren, Trittsiegel und Fährten


Die Nutria (Myocastor coypus), auch bekannt als Sumpfbiber oder Biberratte, ist ein großes, semiaquatisches Nagetier, das ursprünglich aus den subtropischen und gemäßigten Zonen Südamerikas stammt.

  • Größe & Gewicht: 40-60 cm Körperlänge, 8-10 kg schwer
  • Ernährung: Pflanzenfresser (Wurzeln, Stängel, Blätter)
  • Lebensraum: Ufer von Flüssen, Seen und Sümpfen
  • Besonderheit: Große, leuchtend orange Nagezähne

Ihre Geschichte in Europa und Deutschland ist eng mit der Pelzindustrie verknüpft. Ab den 1920er Jahren wurden Nutrias in Pelztierfarmen gezüchtet, aus denen immer wieder Tiere entkamen oder, nach dem Zusammenbruch des Pelzmarktes in den 1940er Jahren, freigelassen wurden.

Diese freigelassenen Populationen konnten sich erfolgreich etablieren und haben sich seitdem in ganz Deutschland und weiten Teilen Europas ausgebreitet. Aufgrund ihrer hohen Reproduktionsrate und der erheblichen ökologischen sowie wirtschaftlichen Schäden, die sie verursachen kann, wird die Nutria seit 2016 auf der Liste der invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung der Europäischen Union geführt.

Auf den ersten Blick lässt sich die Nutria durch einige markante Merkmale identifizieren. In der Größe ordnet sie sich zwischen der kleineren Bisamratte und dem größeren Europäischen Biber ein.

Ihre auffälligsten Kennzeichen sind der lange, im Querschnitt runde und nur spärlich behaarte Schwanz, die langen, leuchtend weißen Tasthaare (Vibrissen) an der Schnauze und die großen, kräftigen Schneidezähne, die bei erwachsenen Tieren eine charakteristische orange Färbung aufweisen.

Da Nutrias überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv sind, mit Aktivitätsspitzen um Mitternacht, sind direkte Beobachtungen der Tiere oft selten, selbst in Gebieten mit hohen Bestandsdichten. Dieses Verhalten macht die Fähigkeit, ihre Spuren und Hinterlassenschaften zu erkennen und korrekt zu deuten, zu einer entscheidenden Kompetenz.

Die Spuren – von Trittsiegeln über Kot bis hin zu Fraßspuren – sind dauerhafte Zeugen ihrer Anwesenheit und können zu jeder Tageszeit gefunden werden.

Eigenschaften von den Trittsiegeln beim Nutria

Die Fußabdrücke, oder Trittsiegel, einer Nutria sind eines der direktesten und überzeugendsten Beweismittel für ihre Anwesenheit. Die besten Abdrücke finden sich in weichen Substraten wie Schlamm, feuchtem Sand oder feinem Schnee an den Ufern von Gewässern, wo die Tiere am aktivsten sind. In allen Trittsiegeln wirst du wahrscheinlich Krallen sehen.

Allgemeine Merkmale der Nutria-Fährte

Die Fährte, also die gesamte Spur eines sich bewegenden Tieres, weist bei der Nutria ein charakteristisches Muster auf. Zwischen den Abdrücken der Pfoten ist oft eine durchgehende, dünne Linie zu sehen. Diese Schleifspur wird vom langen, runden Schwanz des Tieres verursacht, der beim Laufen über den Boden gezogen wird. Das Vorhandensein dieser Schwanzspur in Kombination mit den typischen Trittsiegeln ist ein starkes Indiz für die Anwesenheit einer Nutria.  

Die Vorderpfoten – Greifen und Graben

Die Vorderpfoten der Nutria sind deutlich kleiner als ihre Hinterpfoten und für das Graben ihrer Baue sowie das Halten und Bearbeiten von Nahrung spezialisiert. Sie besitzen fünf Zehen, die nicht mit Schwimmhäuten verbunden sind. Im Trittsiegel sind jedoch meist nur vier Zehenabdrücke klar zu erkennen. Der innerste Zeh, vergleichbar mit einem Daumen, ist stark verkümmert und hinterlässt oft keinen deutlichen Abdruck im Substrat.

Das Nutria-Trittsiegel ist vorn 4 bis 7,2 cm lang und ungefähr 3,5 bis 6 cm breit. Es ist mittelgroß, asymmetrisch und der Nutria ist ein Sohlengänger.

Im vorderen Trittsiegel siehst du nah an den Zehen drei deutlich zusammengewachsene vordere Mittelballen. Diese bilden den Mittelfußballen. Und hinten im Trittsiegel findest du häufig zwei weitere hintere Mittelballen, die recht nah zu den vorderen Mittelballen liegen.

Das Trittsiegel eines Nutrias mit dem Abdruck links hinten und rechts siehst du den Vorderfuß.

Die Hinterpfoten – Das entscheidende Merkmal im Schlamm

Die asymmetrischen Hinterpfoten der Nutria sind das diagnostisch wertvollste Merkmal ihrer Spuren und ermöglichen eine sichere Unterscheidung von anderen an Wasser lebenden Säugetieren. Sie sind groß, kräftig und für die Fortbewegung im Wasser angepasst. Die Abdrücke können eine Länge von 5 bis 12 cm erreichen, wobei einige Quellen sogar von bis zu 15 cm (6 inches) berichten. Ein Nutriatrittsiegel ist 4,3 bis 10 cm breit. Die Zehe 1 und 5 wirst du nicht immer sehen.

Hinten und vorne auf einem Bild.

Das entscheidende und einzigartige Merkmal ist die Struktur der Schwimmhäute. Während Biber vollständig durch Schwimmhäute verbundene Zehen haben und Bisamratten keine oder nur sehr schwach ausgebildete, besitzen Nutrias eine partielle Schwimmhaut. Bei der Nutria sind die  

inneren vier Zehen durch Schwimmhäute verbunden, während der fünfte, äußere Zeh frei beweglich bleibt. Dieser freie Zeh ist oft deutlich im Trittsiegel zu erkennen und stellt das wichtigste Unterscheidungsmerkmal dar.

Diese besondere Anatomie ist kein Zufall, sondern eine bemerkenswerte evolutionäre Anpassung an eine semiaquatische Lebensweise. Die Schwimmhäute zwischen den vier Zehen sorgen für einen kraftvollen Antrieb beim Schwimmen, was für ein Tier, das einen Großteil seines Lebens im Wasser verbringt, essenziell ist.

Gleichzeitig stellt das Leben an Land, insbesondere an steilen und schlammigen Uferböschungen, wo die Nutrias ihre Baue graben, eine andere Herausforderung dar. Vollständige Schwimmhäute wären hier hinderlich und würden das Klettern erschweren.

Der freie fünfte Zeh fungiert wie ein Greifwerkzeug, das dem Tier zusätzlichen Halt und Stabilität beim Verlassen des Wassers und beim Erklimmen der Uferböschung verleiht. Die Struktur des Hinterfußes ist somit ein perfekter Kompromiss, der Effizienz im Wasser mit der notwendigen Agilität an Land verbindet.  

Hier siehst du nur Zehe 3 und 4 vom Hinterfuß des Nutrias.

Weitere Spuren und Hinterlassenschaften der Nutria

Neben den Trittsiegeln hinterlassen Nutrias eine Vielzahl weiterer Spuren, die ihre Anwesenheit verraten. Ein geübter Beobachter kann anhand von Kot, Bauen und Fraßspuren ein detailliertes Bild von der Aktivität der Tiere in einem Gebiet zeichnen.

Der Kot (Losung) – Ein unverwechselbarer Fund

Der Kot der Nutria ist eines der zuverlässigsten Identifikationsmerkmale. Die einzelnen Kotpillen sind zylindrisch, etwa 5 cm (2 inches) lang und haben einen Durchmesser von rund 1,3 cm (0.5 inches). Ihre Farbe variiert von dunkelgrün über braun bis fast schwarz, abhängig von der aufgenommenen Nahrung.  

Das absolut charakteristische und unverwechselbare Merkmal sind jedoch deutliche, parallele Längsrillen oder Furchen, die sich über die gesamte Länge der Kotpille ziehen. Diese Struktur ist einzigartig unter den Säugetieren ihres Lebensraums und erlaubt eine eindeutige Abgrenzung vom Kot des Bibers oder der Bisamratte. Nutria-Kot wird häufig direkt ins Wasser oder in unmittelbarer Nähe zum Ufer abgesetzt und schwimmt oft an der Wasseroberfläche, was seine Entdeckung erleichtert.  

Baue und Nester – Wohnen über der Wasserlinie

Nutrias sind eifrige Gräber und legen ihre Baue in den Uferböschungen von Flüssen, Seen, Teichen und Deichen an. Diese können von einfachen, 1 bis 6 Meter langen Röhren bis hin zu komplexen, über Generationen genutzten Tunnelsystemen reichen, die eine Länge von bis zu 45 Metern (150 feet) erreichen können.  

Das entscheidende Unterscheidungsmerkmal zu den Bauen von Bibern und Bisamratten ist die Lage des Eingangs. Der Eingang zu einem Nutria-Bau befindet sich fast ausnahmslos oberhalb der mittleren Wasserlinie. Im Gegensatz dazu liegen die Eingänge zu Biber- und Bisambauen typischerweise unter der Wasseroberfläche, um sie vor Fressfeinden zu schützen.  

Zusätzlich zu den Erdbauen errichten Nutrias in flachen Wasserzonen oft auch Plattformen aus grober Vegetation wie Schilf und Rohrkolben. Diese abgeflachten, runden Nester dienen als Ruhe-, Fress-, Putz- und Geburtsplätze und können leicht mit den "Burgen" von Bisamratten verwechselt werden.  

Fraßspuren – Die Spuren eines gefräßigen Vegetariers

Als gefräßige Pflanzenfresser, die täglich bis zu 25 % ihres eigenen Körpergewichts an pflanzlicher Biomasse vertilgen, hinterlassen Nutrias deutliche Fraßspuren in ihrem Lebensraum.

  • Pflanzenschnitte: Stängel von Wasserpflanzen wie Rohrkolben oder Schilf werden oft in einem charakteristischen 45-Grad-Winkel abgebissen. Diese schrägen Schnitte sind ein typisches Zeichen ihrer Nageaktivität.  
  • "Eat-Outs": In Gebieten mit hohen Nutria-Populationen können ganze Bereiche der Ufer- und Sumpfvegetation kahl gefressen werden. Diese als "Eat-Outs" bezeichneten Flächen können zur Umwandlung von artenreichen Feuchtgebieten in offene Wasserflächen führen.  
  • Nagespuren an Gehölzen: Insbesondere im Winter, wenn krautige Pflanzen rar sind, nagen Nutrias die Rinde von jungen Bäumen und Sträuchern im Uferbereich ab. Im Gegensatz zum Biber, der ganze Bäume fällen kann, beschränkt sich die Nageaktivität der Nutria auf die Rinde und dünnere Äste. Die Nagespuren sind oft weniger prägnant als die deutlichen Zahnabdrücke des Bibers.  
  • Futterhaufen: Oft sammeln Nutrias abgeschnittene Pflanzenteile auf ihren Fressplattformen oder an geschützten Uferstellen an, wo sie in Ruhe fressen können.

Oben steht eine junge Weide und Nutrias essen die Rinde ab und an.

Abgefressene Weidenrinde von einer Nutria.

Wechsel und Rutschen – Trampelpfade am Ufer

An stark frequentierten Stellen legen Nutrias deutliche Pfade, sogenannte "Wechsel" oder "Runs", durch die dichte Ufervegetation an. Diese Trampelpfade verbinden ihre Baue mit bevorzugten Fressplätzen oder dem Wasser. An steilen, schlammigen Uferböschungen können durch das wiederholte Hineingleiten ins Wasser regelrechte Rutschen entstehen, die ebenfalls ein klares Zeichen für ihre Anwesenheit sind.

Verwechslungsgefahr: Nutria, Biber und Bisamratte sicher unterscheiden

Die korrekte Identifizierung von Nutria, Biber und Bisamratte stellt für Laien oft eine Herausforderung dar, da sich die Tiere in Lebensweise und Aussehen ähneln. Eine genaue Betrachtung der Spuren und körperlichen Merkmale ermöglicht jedoch eine zuverlässige Unterscheidung.

Die Größe ist dabei ein erstes wichtiges Kriterium: Der Biber ist das größte der drei Nagetiere, gefolgt von der Nutria, während die Bisamratte deutlich kleiner ist.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zusammen und dient als praktische Referenz für die Identifizierung im Feld.

Merkmal Nutria Biber Bisamratte
Größe (Hinterpfote) Bis 13 cm Bis 18 cm (deutlich größer) Bis 4 cm (deutlich kleiner)
Schwimmhäute Ja, deutlich zwischen 4 Zehen Sehr kräftig, zwischen allen 5 Zehen Nur angedeutet als "Schwimmborsten"
Schwanzspur Glatte, durchgehende Schleifspur (2-3 cm breit) Keine Schleifspur, eher breite, schuppige Abdrücke vom flachen Schwanz Sehr dünne, wellige Linie (unter 1 cm breit)

Fazit: Eine Fährte ist ein Informationspaket

Das Erkennen und Deuten von Nutria-Spuren liefert wertvolle Informationen für das Wildtiermanagement und den Naturschutz. Eine Fährte im Schlamm verrät uns:

  • Anwesenheit und Aktivität: Die Spuren sind der einfachste Weg, die Aktivität von Nutrias in einem Gebiet zu bestätigen, ohne die scheuen Tiere direkt beobachten zu müssen.
  • Populationsdichte: Die Anzahl und Dichte der Fährten, Fraßspuren und Baueingänge gibt einen wichtigen Hinweis darauf, wie viele Tiere in einem bestimmten Gewässerabschnitt leben.
  • Lebensraumnutzung: Die Position der Spuren zeigt, welche Uferbereiche als Laufwege, Fressplätze oder zum Sonnen genutzt werden.
  • Frühwarnsystem: Für den Hochwasserschutz ist das frühzeitige Erkennen von Grabaktivitäten an Deichen und Dämmen entscheidend, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Letztendlich ist jeder Trittsiegel und jede Schleifspur des Schwanzes ein Puzzleteil, das uns hilft, die Ausbreitung und die ökologischen Auswirkungen des Nutrias zu verstehen. Die Spurenlehre ermöglicht es uns, die Dynamik unserer Ökosysteme zu lesen und fundierte Entscheidungen für deren Verwaltung zu treffen.


Zurück zur Übersicht