Ist es sicher, überfahrene Tiere zu essen? – Beachte diese 9 elementaren Dinge (+Meinung von einem Jäger)
Täglich fallen Tausende Tiere den Autofahrern zum Opfer (Roadkills). Warum kann man diese Tiere nicht essen? Können Wildunfälle eine gute Mahlzeit sein?
Von Martin Gebhardt. Schaue auf meine “Über mich”-Seite und abonniere meinen Newsletter.
👉 Das Wichtigste in Kürze
- Die Entscheidung, ob ein überfahrenes Tier essbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Zeitpunkt des Todes, der Zustand des Tierkörpers und die gesetzlichen Bestimmungen.
- Es ist wichtig, das Tier gründlich zu untersuchen, bevor es mitgenommen wird. Dazu gehören das Überprüfen der Augen, der Haut, des Blutes und des Fleisches des Tieres.
- In Deutschland ist die Mitnahme von überfahrenen Tieren gesetzlich verboten und kann als Wilderei geahndet werden.
- Es besteht das Risiko, sich durch den Verzehr von überfahrenen Tieren zu vergiften, wenn das Tier nicht gründlich untersucht und das Fleisch nicht gut durcherhitzt wird.
- Trotz der Risiken und gesetzlichen Einschränkungen argumentieren einige, dass das Essen von überfahrenen Tieren ethisch akzeptabel und sogar sinnvoll sein kann, da diese Tiere ein natürliches Leben geführt haben und nicht den Bedingungen der Massentierhaltung ausgesetzt waren.
Täglich fallen Tausende Tiere den Autofahrern zum Opfer – sogenannte Roadkills.
Und ich denke mir: Warum kann ich diese Tiere nicht essen? Sie waren noch vor Kurzem lebendig und lebten glücklich im Wald.
Sind überfahrene Tiere eine gute Mahlzeit?
Ob es sicher ist oder nicht, von einem Auto angefahrene Wildtiere zu essen, hängt vom Zeitpunkt, den gesetzlichen Bestimmungen und dem Zustand des Tierkörpers ab. Eine generelle Aussage kann man nicht treffen, aber frisch überfahrene Wildtiere sind möglicherweise essbar. Außerdem sind örtliche Gesetze zu beachten und eine visuelle Prüfung durchzuführen.
Dies sind natürlich nur die Grundlagen.
Lass uns genauer anschauen, was du mit einem überfahrenen Wildtier (Roadkill) machen kannst und ob es dein nächstes Abendessen wird.
Wie du feststellst, ob du ein überfahrenes Wildtier essbar ist
Schon oft stellte ich mir die Frage, ob ich nicht überfahrene Tiere, wie Rehe oder Wildschweine, einpacken könnte.
Zu Hause lege ich es auseinander und ernähre mich davon. Immerhin ist Wildfleisch in vielen Gegenden der Erde teurer als Hähnchenfleisch aus der Massenproduktion.
Hinzukommt, dass die Tiere im Wald ein glücklicheres Leben lebten als ihre Artgenossen in den engen Ställen.
Kurz gesagt, Unfallwild ist kostenloses und gutes Essen.
Selbst Rüdiger Nehberg hat auf seiner Reise durch Deutschland einen überfahrenen Hasen gegessen.
Nun, es gibt jedoch Vorsichtsmaßnahmen, die du treffen solltest, bevor du das Wildtier mitnimmst.
Du findest nun 9 Fragen, die du dir besser stellst, bevor du ein überfahrenes Tier mitnimmst.
Für die jagdlichen und rechtlichen Fakten bat ich einen ausgebildeten Jäger um Hilfe. Tobias Wirtz besitzt einen Jagdschein und betreibt eine Rangerschule in der Pfalz. Auf seinem Instagram-Account und seiner Website rangerschule-pfalz.de findest du mehr Informationen zu ihm.
1. Wie lange ist das Wildtier tot?
Du solltest niemals ein totes Wildtier mitnehmen, ohne es zu untersuchen.
Je nach Klima und Jahreszeit ist ein totes Tier schon innerhalb von 30 Minuten verdorben. Stell dir ein kleines Wildtier, wie einen toten Hasen vor, der eine Stunde bei 35 Grad in der Sonne liegt.
In dem Fall ist das Fleisch ungenießbar. Auch Kochen hilft nicht mehr. Die Außentemperatur hat immer einen Einfluss auf das Fleisch und die Fleischreife.
Aber auch ein Wildtier, welches im Winter zur Strecke oder Tode kommt, muss innerhalb von 30 Minuten (besser noch schneller) aufgebrochen werden. Das ist wichtig, da ab diesem Zeitraum (30 bis 40 Min) die natürliche Magen- und Darmbarriere zusammenfällt.
Dann besteht die Gefahr, dass Bakterien aus dem Magen oder Darm in die Muskulatur gelangen.
Falls du selbst ein Tier zufällig überfahren hast oder Zeuge eines Unfalls wurdest, kannst du dir den Körper genauer anschauen und dir weitere Fragen stellen.
2. Sehen die Augen klar oder matt aus?
Falls du den Hirsch oder das Wildschwein nicht selbst überfahren hast, schau dir seine Augen an.
Sind die Augen klar, ist das Tier noch nicht lange tot. Sind sie milchig und trüb, lass besser die Finger von dem Tier. Das Tier liegt dort wohl schon einige Stunden.
3. Ist die Haut noch weich oder ist die Totenstarre eingetreten?
Die Totenstarre (Rigor Mortis) tritt nach Tierart und Umgebung unterschiedlich ein.
Bei einem Schwein sagen Jäger, dass diese nach ca. 4 bis 18 Stunden und bei einem Huhn nach ca. 2 bis 4 Stunden eintritt.
Wichtig ist, dass sich die Haut bewegen lässt. Kneife herein, schiebe die Haut herum. Das geht bei frisch getöteten Tieren recht einfach.
Wenn du dagegen eine steife Haut bemerkst, lass die Finger davon. Bei Tieren mit Totenstarre heftet die Haut fest am Muskel.
Und wenn sich das Fell von der Haut löst, ist das Wildtier noch länger tot und es ist ungenießbar.
4. Riecht das Wildtier schlecht?
Auch wenn das Wildtier auf den ersten Blick perfekt essbar aussieht, vertraue auf deine Nase. Riecht es faul und ranzig, zieh weiter.
Du kannst hier besonders an Körperöffnungen, wie dem Mund, diesen Geruch schnell wahrnehmen. Leichengeruch = Genussuntauglich.
5. Gibt es Parasiten und Insekten auf der Haut des Tieres?
Viele Wildtiere besitzen Flöhe. Und das machst du dir zunutze. Denn Flöhe hauen ab, wenn ihr Wirt stirbt.
Bemerkst du Flöhe, kannst du dir sicher sein, dass das Blut des Hirsches, Rehs oder Wildschweins noch warm ist.
Anders sieht es mit Maden von Fliegen aus. Siehst du diese am Tier, besonders an den Körperöffnungen, ist das Tier tabu.
6. Wie sieht das Blut aus?
Prallt ein Wildtier mit einem Auto zusammen, kracht es richtig. Stell dir vor, du rammst einen 160 Kilo Hirsch bei 80 km/h.
Das wird ein heftiger Unfall und wahrscheinlich auch blutig.
Schau dir das Blut auf der Straße und am Tier an. Ist es frisch, liegt das Tier noch nicht lange. Ist es stark getrocknet, liegt das Tier länger.
7. Wie sieht das Fleisch aus?
Auch am Fleisch, kannst du feststellen, wie lange das Tier tot ist.
Hat sich die Farbe oder Konsistenz vom Fleisch verändert? Ist es schleimig geworden? Sieht es frisch und rötlich aus?
Wenn ich keine bedenklichen Veränderungen der Organe feststelle, würde ich mir als nächsten Schritt das Fleisch genauer anschauen.
Ich schneide ein Stück heraus und ziehe das Gewebe auseinander. Ist es schleimig, zerfasert es, riecht oder sieht es ekelerregend aus? Dann weg damit.
Ist es rot, trocken und fest, ist es wohl in Ordnung.
8. Wie ist das Klima in deiner Region?
Es spielt eine große Rolle, welches Klima in der Region herrscht. Bei Minusgraden hält sich ein Tier viel länger und ist demnach auch genießbar. Fliegen, die ihre Eier auf das Tier legen, gibt es im Winter nicht.
Wenn du dagegen ein Reh am Straßenrand siehst, wenn die Außentemperaturen 30 °C betragen, betrachte es als verdorben.
9. Ist das Tier noch verwertbar?
Nicht immer sind Verletzungen nach einem Unfall äußerlich sichtbar. Die inneren Organe können stark zerstört sein, dass das Wildtier nicht mehr verwertbar ist.
Eine aufplatzende Galle kann das ganze Fleisch ungenießbar machen. Oder die Därme sind explodiert, entleeren sich im ganzen Körper und verschmutzen das Fleisch.
Anmerkung: Nicht jedes Tier besitzt eine Gallenblase. Alle Geweihträger (Cerviden) wie Reh-, Rot-, Dam- und Sikawild besitzen keine Gallenblase.
Wie machen das Jäger? Was sagt Jäger Tobias Wirtz dazu?:
"Nach dem Erlegen eines Wildtieres werden immer die inneren Organe wie Herz, Lunge, Leber, Milz, Nieren und Gescheide (Magen und Gedärme) genau untersucht. Dabei achtet der Jäger auf bedenkliche Merkmale wie Geschwülste und Abszesse in inneren Organen oder der Muskulatur. Auch auf Abweichungen der Muskulatur oder der Organe in Farbe, Konsistenz oder Geruch sowie auf Verklebungen und Verwachsungen der Organe wird geachtet."
"Zudem werden die Organe nach Endoparasiten (Innenparasiten) überprüft. Das können z. B. große oder kleine Lungenwürmer oder Magen-, Darmwürmer sein. Auch nach Bandwürmern und ihren Finnen wird Ausschau gehalten sowie auf den großen oder kleinen Leberegel."
Ist es erlaubt, überfahrene Tiere mitzunehmen?
Auf die Frage wartest du sicher schon, oder?
Betrachten wir die gesetzliche Seite und nehmen wir an, du bist nicht in einer Survival-Situation.
Schau mal, mehr als 237.760 Wildunfälle gab es in Deutschland 2020.
Hinzu kommen wohl zehntausende, von denen die Behörden trotz Meldepflicht nie erfahren.
Kommen wir zur Auflösung.
Darf man in Deutschland Unfallwild mitnehmen?
Die Frage habe ich an Tobias Wirtz, Jäger, gestellt:
"Wer sich ein Wildtier aneignet, verletzt fremdes Jagdrecht oder Jagdausübungsrecht und macht sich der Jagdwilderei strafbar, welche mit Freiheitsstrafen oder mit einer Geldstrafe belegt werden kann."
In Deutschland fällt die Mitnahme angefahrener Wildtiere unter Jagdwilderei nach § 292 StGB. Das Strafmaß beträgt bis zu 3 Jahren und in besonders schweren Fällen bis zu 5 Jahren Haft.
Warum ist das so?
Hier kommt das Eigentumsrecht ins Spiel.
In einem Jagdrevier ist Wild herrenlos, also "frei". Wird ein Wildtier geschossen oder überfahren, tritt das Aneignungsrecht ein. Das besitzt erst mal nur der Grundeigentümer.
Da der Grundeigentümer aber meistens das Jagdausübungsrecht verpachtet, darf sich nur der Pächter das Wild aneignen.
Bist du nicht der Jäger von dem Jagdrevier, in dem das Tier überfahren wurde, darfst du es nicht mitnehmen.
Darf ich ein überfahrenes Wildtier verkaufen oder weitergeben?
Nur der Jäger darf ein überfahrenes Wildtier mitnehmen und essen. In Verkehr bringen, d.h. verkaufen, darf er es nicht.
Das regelt das nächste Gesetz: die "Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs" (kurz: Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung - Tier-LMHV, hier nachlesen).
Im § 22 Verbote und Beschränkungen heißt es:
Es ist verboten,
- Fleisch von als Haustiere gehaltenen Huftieren, Geflügel, Hasentieren oder Zuchtlaufvögeln, die nicht durch Schlachten getötet worden sind,
- Fleisch von Groß- oder Kleinwild, das nicht durch Erlegen getötet worden ist,
in den Verkehr zu bringen.
In den USA sieht das anders aus
Als Beispiel: Einige Staaten in den USA erlauben, überfahrene Tiere mitzunehmen und zu essen.
So gelangen Hirsche, Rehe, Bären, Elche, Waschbären oder Füchse in die Pfanne.
Auch in England und Australien ist es nicht unüblich, dass Unfallwild verwertet wird.
Kannst du von überfahrenen Tieren krank werden?
Grundsätzlich musst du davon ausgehen, dass du ein überfahrenes Wildtier NICHT essen kannst. Bis du das Gegenteil beweist.
Es gibt essenzielle Faktoren, die eine Rolle spielen, wie:
- Ist Insektenbefall vorhanden?
- Sind Larven sichtbar?
- Hatte das Tier Krankheiten?
- Wie lang ist es tot?
Überprüfst du nicht ganz genau das Tier, spielst du mit dem Risiko, dich zu vergiften.
Wenn du es jedoch gründlich untersuchst und alle Risiken minimierst, kannst du es wahrscheinlich essen.
Aber bitte erhitze das Fleisch gut durch, so minimierst du jegliche Risiken. Zum Beispiel regelt man das Deutschland so:
Grundlegend besteht in Deutschland eine Untersuchungspflicht auf Trichinen bei Wildtieren für Wildschweine, Dachse, Nutria (Sumpfbiber) und andere fleischfressende Tiere, die Träger von Trichinen sein können, wenn das Fleisch zum Verzehr für Menschen verwendet werden soll.
Trichinen sind eine Gattung winziger Fadenwürmer mit parasitischer Lebensweise. Diese Krankheit ist nicht heilbar. Daher immer daran denken (auch in einer Survival-Situation), dass du ein Feuer entzündest und das Fleisch gut durcherhitzt.
Ist es moralisch unangebracht, ein verunfalltes Wildtier zu essen?
Schau mal, was PETA, die größte Tierrechtsorganisation auf der Welt, dazu sagt:
If people must eat animal carcasses, roadkill is a superior option to the neatly shrink-wrapped plastic packages of meat in the supermarket.
PETA, Quelle
Wie von PETA berichtet, ist ein überfahrenes Wildtier möglicherweise eine der ethischsten Arten, Fleisch zu konsumieren. Ferner ernährt sich ein wildes Tier im Vergleich zu Nutztieren gesünder.
Ein "Roadkill" ist gesünder als Fleisch, das mit Antibiotika, Hormonen und Wachstumsstimulanzien vollgestopft ist – wie es heute das meiste Fleisch ist.
Es ist auch humaner, dass auf der Straße getötete Tiere nicht ohne Betäubung kastriert oder enthornt wurden. Hinzu kommt, dass ihnen das Elend des Transports in einem überfüllten Lastwagen erspart wird. Sie hören auch keine Schreie ihrer Artgenossen. Sie hatten wohl möglich nie Angst und konnten ein friedliches Leben führen.
Ergebnis? Essen oder nicht?
Es gibt Menschen, die essen schon ewig Wildtiere, die auf der Straße getötet wurden. Und sicher haben sie Kenntnisse über tote Tiere und sind erfahrene Sammler.
Du als Laie solltest aber nicht annehmen, dass du sofort ein gesundes totes Wildtier erkennst.
Stattdessen ist es ratsam, dass du das Tier ganz genau anschaust. Werde der Sherlock Holmes der Wildunfälle. Schau dir das Tier an, rieche daran und stelle sicher, dass es ein gesundes Tier ist.
Weiterhin ist es notwendig, den Einfluss von Klima, Temperatur, Insekten und Status des Körpers zu bewerten.
Und am Ende musst du dich noch schlaumachen über die gesetzlichen Bestimmungen je nach Standort.
Würdest du überfahrene Wildtiere essen? Wie gefällt dir der Gedanke, das Fleisch zu verwerten?
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Autor des Ratgebers
Martin Gebhardt
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